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Regierung Merz auf der Kippe: Neuauszählung fordert politische Zeitenwende in Deutschland

Berlin, 10. Oktober 2025 – Was sich wie das Drehbuch eines politischen Thrillers liest, könnte bald Realität werden: Eine scheinbar unscheinbare Forderung nach einer Neuauszählung der Stimmen der Bundestagswahl 2025 durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat das Potenzial, die politische Landschaft Deutschlands grundlegend zu verändern und die amtierende schwarz-rote Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz in ihren Grundfesten zu erschüttern. Die Situation ist hochbrisant, die Akteure sind in Stellung gegangen, und das Vertrauen in das deutsche Wahlsystem steht auf dem Spiel.

Der Ursprung dieser dramatischen Entwicklung liegt in der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025. Das BSW verfehlte damals die entscheidende Fünf-Prozent-Hürde denkbar knapp. Mit exakt 4,986 Prozent der Stimmen fehlten der Partei lediglich 0,014 bis 0,016 Prozentpunkte – oder umgerechnet lediglich 95 Stimmen –, um den Einzug in den Bundestag zu schaffen. Da das BSW keine Direktmandate erringen konnte, blieb die Tür zum Parlament verschlossen. Doch diese knappe Niederlage ließ die Partei nicht ruhen. Schnell kam die Argumentation auf, hier stimme etwas nicht. Das BSW begann mit eigenen Nachforschungen und präsentierte statistische Wahrscheinlichkeiten sowie konkrete Unregelmäßigkeiten, darunter falsch zugeschriebene Stimmen in einem Wahlkreis, die eigentlich dem BSW zustanden, aber fälschlicherweise dem “Bündnis Deutschland” zugeordnet wurden. Solche Vorfälle in mehreren Wahlbezirken erhärteten den Verdacht und führten zu einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht.

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Das höchste Gericht verwies das BSW jedoch an den Wahlausschuss des neugewählten Deutschen Bundestages. Dieser Ausschuss, so die klare Ansage aus Karlsruhe, müsse zuerst über eine mögliche Neuauszählung entscheiden, bevor das Bundesverfassungsgericht sich des Falles annehmen könne. Und genau hier liegt der Knackpunkt, der die politische Atmosphäre seit Monaten vergiftet: Der Wahlausschuss kommt seiner Aufgabe nur schleppend nach. Seit nunmehr acht Monaten wartet das BSW auf eine Entscheidung.

Der Frust des BSW ist nachvollziehbar, zumal es Präzedenzfälle gibt, die die Ungleichbehandlung offenbaren. So wurde beispielsweise bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen eine Neuauszählung angeordnet, bei der es um einen Unterschied von 0,16 Prozent der Stimmen ging – ein Faktor, der zehnmal höher ist als die Differenz, die dem BSW den Einzug in den Bundestag verwehrte. Das BSW moniert zurecht: Wenn es um die Oberbürgermeisterwahl zwischen SPD und CDU geht, wird nachgezählt, aber wenn eine Partei den Einzug in den Bundestag knapp verpasst, verzögert sich der Prozess. Die Bundeswahlleiterin, die höchste Beamtin für die korrekte Durchführung von Wahlen in Deutschland, hat sich indes eindeutig geäußert: Alles sei mit rechten Dingen zugegangen, eine Neuauszählung sei nicht gerechtfertigt.

Die Brisante Allianz: AfD als unerwarteter Verbündeter

Die Sache erhält jedoch eine völlig neue Dimension durch die überraschende Schützenhilfe der AfD. Eine Partei, die dem BSW ideologisch fernsteht und im politischen Alltag oft als Kontrahent auftritt, positioniert sich nun als Befürworterin einer Neuauszählung. Sahra Wagenknecht selbst hatte in einem Interview mit dem “Stern” die AfD offen aufgefordert, eine Neuauszählung zu unterstützen. Sie nannte es gar ein “Offenbarungseid”, wenn die AfD “im Hinterzimmer als Stütze der Merzregierung agiert”.

Die AfD ließ sich nicht zweimal bitten. Stefan Brandner, stellvertretender Bundesvorsitzender der AfD, erklärte unmissverständlich: “Wenn es Zweifel gibt, dass der Bundestag korrekt zusammengesetzt ist, muss neu ausgezählt werden. Wählerstimmen sind Mathematik, kein politischer Akt”. Die positive Reaktion der AfD auf die Forderung des BSW mag auf den ersten Blick verblüffen, zeigt aber, dass in Fragen der demokratischen Legitimität auch ideologisch getrennte Lager zu einem gemeinsamen Nenner finden können – oder zumindest ein gemeinsames Interesse verfolgen.

Ein politisches Erdbeben: Die Konsequenzen einer Neuauszählung

Sollte eine Neuauszählung tatsächlich ergeben, dass das BSW die Fünf-Prozent-Hürde überschritten und nachträglich in den Bundestag einzieht, wären die politischen Folgen weitreichend und potenziell verheerend für die aktuelle Regierung.

Zunächst würde die schwarz-rote Koalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz ihre hauchdünne Mehrheit im Bundestag verlieren. Um handlungsfähig zu bleiben, müsste die Regierung die Grünen mit ins Boot holen, was eine grundlegende Umstellung der aktuellen politischen Ausrichtung bedeuten würde. Gleichzeitig würde die politische Landschaft am rechten und linken Rand des Spektrums gestärkt: Die AfD und das BSW hätten zusammen plötzlich mehr als 25 Prozent aller Mandate im Deutschen Bundestag.

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Diese neue Konstellation hätte unmittelbare Auswirkungen auf die parlamentarische Kontrolle und die Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Das BSW, das im Gegensatz zur Linkspartei der AfD “ein bisschen offener gegenüber” ist, könnte gemeinsam mit ihr die notwendige Anzahl an Mandaten erreichen, um Untersuchungsausschüsse zu initiieren. Themen wie die Coronapolitik, die Nord Stream-Sprengung oder die Maskenaffäre, die bisher von der Regierung blockiert oder lediglich in Enquetekommissionen ohne weitreichende Befugnisse behandelt wurden, könnten endlich umfassend und mit der nötigen Ernsthaftigkeit aufgearbeitet werden. Sahra Wagenknecht formulierte es prägnant: “Wir könnten endlich die Aufklärung beginnen, die bisher komplett blockiert wird”. Untersuchungsausschüsse haben im Gegensatz zu Enquetekommissionen das Recht, Zeugen unter Eid zu vernehmen, was eine viel tiefgreifendere Aufklärung ermöglicht.

Ein weiterer brisanter Aspekt betrifft die Legitimität des Bundeskanzlers. Sahra Wagenknecht geht sogar so weit zu behaupten, Friedrich Merz wäre “wahrscheinlich der erste Bundeskanzler, der ohne demokratische Legitimierung ins Amt gekommen ist”, sollte das BSW nachträglich den Einzug schaffen. Zwar würde die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler nicht rückgängig gemacht – das Kabinett und die politische Führung blieben im Amt –, doch der moralische und politische Schaden wäre enorm. Die Legitimität der Wahl als solche stünde in Frage, was das Vertrauen in die höchsten Ämter weiter erodieren könnte.

Demokratisches Dilemma: Taktik oder Prinzipientreue?

Die Frage, ob die AfD aus reinem Kalkül oder aus prinzipieller demokratischer Überzeugung handelt, spaltet die Meinungen. Kritiker werfen der AfD vor, die Situation lediglich für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren und einen “Bündnispartner im deutschen Bundestag” zu gewinnen. Stefan Brandner kontert diesen Vorwurf jedoch und betont, eine “korrekte Demokratie das Eigeninteresse der eigenen Partei um Längen schlägt”. Auch wenn die AfD im Falle eines BSW-Einzugs selbst Mandate verlieren würde, sehen sie die Notwendigkeit einer korrekten Wahlauszählung als höherwertig an.

Die Meinungen von Rechtswissenschaftlern und Politologen sind ebenfalls gespalten. Während die Bundeswahlleiterin eine nachträgliche Korrektur für nicht gerechtfertigt hält und das Ergebnis als endgültig betrachtet, argumentieren die renommierten Politologen Eckhard Jesse und Uwe Wagschal in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass eine bundesweite Neuauszählung angesichts des knappen Ausgangs und vieler Ungereimtheiten “dringend geboten” sei. Bemerkenswert ist dabei, dass weder Jesse, ein konservativer Demokratietheoretiker, noch Wagschal, der aus der empirischen Wahlforschung kommt, als typische Unterstützer von Sahra Wagenknecht gelten. Dies unterstreicht die überparteiliche Bedeutung der Forderung nach Transparenz und Korrektheit.

Bundestagswahl: BSW-Anträge zu Neuauszählung abgelehnt | rbb24

Die Gefahr der Verzögerung: Erosion des Vertrauens

Die aktuelle Situation ist jedoch von einer beunruhigenden Lethargie geprägt. Der Wahlprüfungsausschuss, in dem die Koalitionsfraktionen die Mehrheit haben, bewegt sich seit acht Monaten kaum. Sollte der Ausschuss zu dem Ergebnis kommen, dass alles korrekt gelaufen ist, hat das BSW die Möglichkeit, erneut vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Ein solches Verfahren könnte weitere Schlagzeilen machen, aber vor allem extrem langwierig sein. Es besteht die reale Gefahr, dass sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls Jahre Zeit lässt, bis zum Ende der Legislaturperiode. In einem solchen Szenario würde eine Entscheidung zur Neuauszählung de facto wirkungslos, da ohnehin bald eine neue Wahl anstünde. Dies wäre ein herber Schlag für das Vertrauen in unser Wahlsystem und die demokratischen Prozesse insgesamt.

Der Ruf nach einer raschen und gründlichen Aufklärung ist daher nicht nur eine Forderung des BSW oder der AfD, sondern eine Notwendigkeit für die Stabilität und Glaubwürdigkeit der deutschen Demokratie. Es geht nicht um parteipolitische Präferenzen, sondern um die Gewissheit, dass Wahlen fair und transparent ablaufen. Wenn selbst eine knappe Entscheidung, bei der offensichtliche Ungereimtheiten vorliegen, nicht zeitnah und umfassend geprüft wird, entsteht der Verdacht politischer Manöver und die Erosion des Vertrauens in die Institutionen ist vorprogrammiert. Es ist höchste Zeit, dass der Wahlprüfungsausschuss seine Arbeit abschließt und die nötige Klarheit schafft, damit sich die Bürger auf die Integrität ihres Wahlsystems verlassen können.

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