
Berlin. Die geplante Reise mehrerer AfD-Politiker zu einer Konferenz in Russland hat in der schwarz-roten Koalition heftige Reaktionen ausgelöst. Politiker von Union und SPD sehen in dem Vorhaben ein gefährliches Signal an internationale Partner und Investoren.
Sepp Müller (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, sagte dem Handelsblatt mit Blick auf den Krieg in der Ukraine: „Die AfD muss Russland auf der Konferenz klar als Aggressor benennen und eine sofortige Waffenruhe fordern. Tut sie das nicht, gefährdet sie das Vertrauen internationaler Investoren und schadet erneut Deutschlands exportorientierter Wirtschaft.“
Gitta Connemann, Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, bezeichnete die AfD als „eine massive Gefahr für unseren Wirtschaftsstandort“. Die CDU-Politikerin sagte dem Handelsblatt: „Ihr Kurs, raus aus dem Euro und der EU, zurück zu russischem Gas, bedeutet die Abkehr von Europa und die Rückkehr in die Abhängigkeit von Russland und seinem Diktator.“
Ein solcher „Rückschritt“ hätte aus Sicht Connemanns „fatale Folgen“. Wer den Schulterschluss mit dem Kreml suche, gefährde Investitionen, Arbeitsplätze, Deutschlands Energiesicherheit, den Wohlstand hierzulande sowie die Stabilität Europas.
Auch Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kritisierte die AfD. Die Partei zeige mit der Reise ihr wahres Gesicht, ihre politische Motivation sei nur vorgeschoben. „Die AfD agiert im Interesse des russischen Diktators Wladimir Putin und schadet damit dem Standort Deutschland.“ Die „massiven Kriegsverbrechen Putins“ schienen sie dabei nicht zu stören. Auch Roloff warf der AfD vor, sie wolle zurück zu russischem Gas und damit in die Abhängigkeit von Russland.
Konkret geht es um eine geplante Reise der Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Rainer Rothfuß, Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban und des Europaabgeordneten Hans Neuhoff in den russischen Schwarzmeerort Sotschi. Die Politiker wollen dort vom 13. bis 17. November am „Internationalen Symposium im Format BRICS-Europa“ teilnehmen. BRICS steht für die Gründungsmitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Zu der Gruppe gehören inzwischen weitere Staaten.
AfD-Politiker Neuhoff verteidigt Pläne für Russland-Reise
Die AfD-Bundestagsfraktion steht hinter der Reise und übernimmt laut einem Sprecher auch die Kosten. Ziel sei es, Gesprächskanäle nach Russland offenzuhalten, ähnlich wie bei bestehenden Kontakten zu US-Republikanern und zum Umfeld des US-Präsidenten Donald Trump.
AfD-Abgeordneten wird immer wieder wegen Russland-Besuchen eine zu große Nähe zum Kreml vorgeworfen. Der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann hielt der Partei in einer Aktuellen Stunde im Bundestag am vergangenen Mittwoch vor, ein Sicherheitsrisiko zu sein. Er verwies auf detaillierte Anfragen von AfD-Landes- und -Bundespolitikern zur deutschen Sicherheitsinfrastruktur. Er sagte, es gebe eine „russlandtreue Schläferzelle“ in den Reihen der Partei. Der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer inszenierten Empörung.
Wegen der aktuellen AfD-Reisepläne erhob CSU-Generalsekretär Martin Huber schwere Vorwürfe: „AfD-Abgeordnete fahren nach Russland, um mit dem Kreml über die Durchsetzung russischer Interessen zu sprechen. Das ist Landesverrat.“ Die AfD sei längst das „Sprachrohr Moskaus in Deutschland“. „Wer sich von Putins Schergen seine Politik diktieren lässt, ist kein Patriot, sondern eine Marionette und Risiko für unser Land.“
Auch CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter reagierte empört. Russland sei ein „Terrorstaat“. Die AfD-Politiker machten sich mit ihrer Reise bewusst zum Instrument im hybriden Krieg gegen Deutschland und Europa. Russland unterstütze gezielt den „Aufbau von Kreml-Parteien wie der AfD“, um die deutsche Demokratie zu schwächen, sagte er dem Handelsblatt.
Neuhoff wies die Vorwürfe zurück. „Ich reise zu einem vom Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften veranstalteten Kongress zum Thema Perspektiven der Beziehungen zwischen EU-Staaten und BRICS-Staaten und werde dort auch einen Vortrag halten“, sagte er dem Handelsblatt. Die Vorwürfe von Huber und Kiesewetter seien unqualifiziert, so Neuhoff: „Unionspolitiker, die meinen, wir sollten BRICS ignorieren, haben von Geopolitik nichts verstanden. Sie führen Deutschland und Europa ins Abseits, nicht in eine gedeihliche Zukunft.“
AfD will Sanktionen gegen Russland beenden
Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, wies die Anschuldigungen zurück. „Wären jetzt Kontakte nach Moskau Landesverrat, hätte schon CSU-Chef Franz Josef Strauß Landesverrat begangen, als er 1987 mit eigenhändig gesteuertem Flugzeug zu Gesprächen nach Moskau flog, mitten in dessen völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen Afghanistan“, sagte Baumann dem Handelsblatt.
Er betonte zudem, die AfD-Bundestagsfraktion habe in einer einstimmigen Resolution den russischen Angriff auf die Ukraine „unmissverständlich als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg brandmarkt“.




