Aufstand an allen Fronten: Wie Kanzler Merz zwischen einer rebellischen SPD-Basis und dem eigenen CDU-Nachwuchs zerrieben wird
Ein Kanzler in der Klemme. Ein Kanzler, der nicht mehr regiert, sondern nur noch reagiert. Ein Kanzler, dessen Autorität nicht nur vom politischen Gegner, sondern aus den eigenen Reihen, von der Basis seines Koalitionspartners und dem Nachwuchs seiner eigenen Partei, Tag für Tag demontiert wird. Friedrich Merz, angetreten, um Deutschland nach einer Ära der Stagnation zu erneuern, steht vor den Trümmern seiner eigenen Agenda. Die Kacke ist am Dampfen, wie es der Volksmund so treffend formuliert. Selten war ein Kanzler so offensichtlich im Kreuzfeuer von allen Seiten gefangen. Er kämpft einen Zweifrontenkrieg, den er politisch kaum überleben kann.
An der einen Front steht sein Koalitionspartner, die SPD, die sich in einem Anfall von Selbstzerstörung gegen die eigene Regierungsarbeit stellt. An der anderen Front steht die Zukunft seiner eigenen Partei, die “Junge Gruppe” der CDU/CSU, die offen gegen die Rentenpläne des Kanzlers rebelliert und damit seine hauchdünne Mehrheit im Bundestag aufs Spiel setzt. Merz ist ein Kanzler in Geiselhaft, und die Lösegeldforderungen kommen aus dem eigenen Lager.
Der erste Brandherd, der das Kanzleramt in Panik versetzt, ist die Debatte um das Bürgergeld. Es ist ein Konflikt, der tief blicken lässt in die zerrissene Seele der Sozialdemokratie. Die Regierung, angeführt von Merz, hatte minimale, ja, man muss sagen: lächerliche Verschärfungen des Bürgergeldes geplant. Die Rede ist nicht von einer Revolution des Systems, sondern von einer homöopathischen Dosis an “Fordern” neben dem allumfassenden “Fördern”.

Die geplanten Änderungen sind so voller Schlupflöcher, dass sie in der Praxis kaum Wirkung entfalten dürften. Ein Beispiel: Ein Bürgergeldempfänger soll einen Vertrag unterzeichnen. Was passiert, wenn er nicht unterzeichnet? Richtig, dann ändert sich für ihn nichts. Wer also so “blöd ist”, wie es ein Kommentator ausdrückte, und diesen Vertrag unterschreibt, dem drohen eventuell nach monatelangen Verfahren und verpassten Terminen Bußgelder. Doch selbst gegen jede dieser Maßnahmen kann der Betroffene klagen – auf Kosten des Steuerzahlers, versteht sich, dank Prozesskostenhilfe.
Man sollte meinen, eine solche “Reform” sei ein Witz. Doch für die linke Basis der SPD ist sie ein Affront, ein Verrat an den sozialdemokratischen Grundwerten. Angeführt von der ehemaligen Juso-Chefin Jessica Drosel, formiert sich ein parteiinterner Aufstand. Über 4.000 Unterschriften wurden bereits für ein sogenanntes Mitgliederbegehren gesammelt, das die geplante Verschärfung komplett stoppen soll. Die notwendigen Hürden – ein Prozent der Mitglieder aus mindestens zehn Unterbezirken in drei Bundesländern – scheinen erreichbar.
Für die SPD-Führung um Lars Klingbeil und Bärbel Bas ist dies der Super-GAU. Sie können eine so breit getragene Initiative ihrer eigenen Basis nicht einfach ignorieren. Sie stecken in einer unauflösbaren Zwickmühle: Folgen sie ihrem Kanzler Merz, riskieren sie den offenen Bruch mit der eigenen Partei. Folgen sie ihrer Basis, demütigen sie den Kanzler öffentlich und bringen die Koalition an den Rand des Scheiterns. Beobachter gehen davon aus, dass sie Merz “am Nasenring durch die Manege führen” werden, um die Reform weiter zu verwässern oder ganz zu beerdigen.
Was wir hier erleben, ist nichts Geringeres als ein politischer Offenbarungseid der SPD. Der ehemalige SPD-Abgeordnete Michael Roth brachte die Misere kürzlich auf den Punkt: “Noch nie haben so wenige Arbeitnehmer die SPD gewählt. Noch nie war die Abwanderung zur AfD so groß.” Die SPD, einst die stolze Arbeiterpartei, hat ihre Kernwählerschaft verloren. Kommentatoren, die dies seit Jahren prophezeit haben, sehen sich bestätigt: Die AfD positioniert sich erfolgreich als die neue “Arbeiterpartei”, weil sie die Themen anspricht, die den arbeitenden Menschen auf den Nägeln brennen.
Die SPD hingegen, so die brutale Analyse, ist zu einer “Partei der Sozialhilfeempfänger” verkommen. Der Aufstand gegen die Bürgergeld-Minireform ist der schlagende Beweis für diese These. Es ist eine reine Klientelpolitik für jene, die im System verharren, nicht für jene, die es finanzieren. Roth legt den Finger noch in eine weitere Wunde: Die SPD habe sich in den letzten Jahren mehr über “Sprachregeln” und Kulturpolitik als über die “Lebensrealität” der Bürger gestritten. Die Quittung erhält sie nun an der Wahlurne – und in Form einer unregierbaren, innerlich zerrissenen Partei.

Als wäre diese Baustelle nicht schon groß genug, um einen Kanzler zu Fall zu bringen, bricht für Friedrich Merz nun auch noch die zweite Front auf – im eigenen Haus. Der CDU-Nachwuchs, organisiert in der “Jungen Gruppe” der Bundestagsfraktion, rebelliert offen gegen die Rentenpläne des Kanzlers. Es geht um massive Mehrkosten, die, so die Befürchtung der Jungen, auf dem Rücken ihrer Generation abgeladen werden sollen.
Hierbei handelt es sich nicht um einen harmlosen Jugendprotest. Die “Junge Gruppe” umfasst etwa 18 Abgeordnete. Das ist eine Zahl, die Friedrich Merz das Fürchten lehren muss. In einer Koalition, die im Bundestag nur über eine knappe Mehrheit verfügt, ist diese Gruppe ein echtes Machtzentrum. Wenn diese 18 Politiker bei der Abstimmung stabil bleiben und sagen: “Nein, wir machen da nicht mit”, dann ist der Rentenplan des Kanzlers Geschichte. Und Merz wäre als Kanzler gescheitert.
Die Jungen haben die Macht, die Regierung zu stürzen. Die Frage ist, ob sie auch den Mut und die Standhaftigkeit haben. Zynische Beobachter der Berliner Politik tippen bereits auf das “Einknicken”. Man werde der “Jungen Gruppe” ein paar kosmetische Änderungen zugestehen, irgendeine “Protokollnotiz”, die sie dann zu Hause als riesigen “Erfolg” verkaufen können, bevor sie brav mit “Ja” stimmen. Die parteipolitische Logik und der Druck, die eigene Karriere nicht zu gefährden, sind in Berlin oft stärker als die Überzeugung.
Doch selbst wenn es so kommt, ist der Schaden bereits angerichtet. Der Kanzler musste zittern, er musste verhandeln, er musste betteln – beim eigenen Nachwuchs. Seine Autorität ist nachhaltig beschädigt.
Friedrich Merz sitzt in der Falle. Er ist ein Kanzler, der von allen Seiten getrieben wird. Er wird von der SPD-Basis in der Sozialpolitik blockiert und von der eigenen Jugend in der Finanzpolitik herausgefordert. Er kann in keiner der beiden zentralen Krisen eine klare Linie durchsetzen. Jeder Schritt nach links, um die SPD zu besänftigen, verärgert seine konservative Basis. Jeder Schritt zur Vernunft in der Rentenpolitik bringt seine eigene Fraktion gegen ihn auf.

Wenn Friedrich Merz ein großer und guter Kanzler wäre, so die Meinung einiger Kommentatoren, müsste er jetzt vor die Kameras treten, die Hände heben und eingestehen, dass es so nicht weitergehen kann. Dass diese Koalition handlungsunfähig ist, gelähmt durch ihre unüberbrückbaren inneren Widersprüche.
Doch das wird er nicht tun. Er wird weiterwursteln, er wird Deals im Hinterzimmer machen, er wird hier ein wenig nachgeben und dort ein wenig tricksen. Und der Leidtragende dieser politischen Farce ist, wie immer, der deutsche Steuerzahler. Er bezahlt die Zeche für ein Bürgergeld-System, das Fehlanreize setzt, und für einen Rentenplan, der die Zukunft kommender Generationen verpfändet. Friedrich Merz hat die Kacke am Dampfen, aber es ist das ganze Land, das in diesem Dampf erstickt.




