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Ein Arzt vor dem Grauen – Dr. Fritz Klein in Bergen-Belsen, 3. Mai 1945

Das Bild, aufgenommen am 3. Mai 1945, nur wenige Tage vor der Kapitulation des Dritten Reichs, zeigt einen der berüchtigtsten Lagerärzte des Holocaust: Dr. Fritz Klein. Er steht einem weiblichen Häftling gegenüber – eine erschütternde Szene, die nicht nur das persönliche Aufeinandertreffen von Täter und möglicher Überlebender zeigt, sondern sinnbildlich für den moralischen Abgrund steht, in den die Medizin im Nationalsozialismus gestürzt war.

Fritz Klein war ursprünglich rumänischer Staatsbürger und hatte an der Universität Budapest Medizin studiert. Er trat erst spät, im Jahr 1943, der SS bei, diente zunächst in Auschwitz und wurde schließlich als Lagerarzt in Bergen-Belsen eingesetzt – einem der grausamsten Orte der NS-Verbrechen. Bei der Befreiung des Lagers durch britische Truppen am 15. April 1945 bot sich ein Bild des absoluten Grauens: Über 13.000 Leichen lagen offen auf dem Gelände, mehr als 60.000 Häftlinge waren dem Tod nahe, viele starben noch Tage nach ihrer Befreiung an den Folgen von Hunger, Krankheit und Misshandlung.

In dieser Umgebung, geprägt von Fäulnis, Elend und völliger Entmenschlichung, zeigt das Foto Fritz Klein nicht in ärztlicher Mission, sondern als Symbol der Kälte, der Komplizenschaft und des moralischen Bankrotts. Er trägt seine SS-Uniform, steht aufrecht, während die Frau ihm gegenüber möglicherweise eine Überlebende des Lagers ist. Ihre Haltung ist nicht eindeutig – es könnte eine Anklage sein, eine Frage oder auch bloß ein Blick in das Gesicht dessen, der Teil der Maschinerie war, die für den Tod von Millionen verantwortlich ist.

Klein selbst rechtfertigte seine Rolle später mit den Worten:

„Ich habe gelernt, dass es moralischer ist, ein paar Menschen zu töten, um viele zu retten.“
Diese perfide Logik spiegelt die Verdrehung ärztlicher Ethik unter dem NS-Regime wider, in dem Heilberufe zu Werkzeugen systematischer Vernichtung gemacht wurden. Ärzte wie Klein wählten aus, wer leben durfte – und wer in den Tod geschickt wurde.

Nach der Befreiung wurde Klein verhaftet und während des Belsen-Prozesses, der im Herbst 1945 stattfand, zusammen mit weiteren NS-Verbrechern zur Rechenschaft gezogen. Die Alliierten dokumentierten die Zustände im Lager fotografisch und filmisch, nicht nur aus Beweiszwecken, sondern um der Welt zu zeigen, was in diesen Lagern geschehen war. Klein wurde für schuldig befunden und am 13. Dezember 1945 gehängt.

Das Bild vom 3. Mai zeigt nicht nur einen Menschen, sondern einen Berufstand, der versagt hatte. Es erinnert uns daran, wie Wissenschaft und Medizin, wenn sie sich einer Ideologie unterwerfen, zu Mittätern an Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden können. Es steht als mahnendes Dokument, das mehr sagt als tausend Worte – ein stiller Moment, in dem Geschichte und Schuld sich im Blick zweier Menschen begegnen.

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