Deutscher Soldat erschießt eine Frau mit einem Kind im Arm, Iwanograd, 1942.
Ein seltenes Foto aus dem Zweiten Weltkrieg, aufgenommen in der Nähe von Iwanograd (Ukraine), dokumentiert eine Erschießung während der Besatzungszeit. Das Bild zeigt einen Mann, der über einem regungslos am Boden liegenden Körper steht. Am linken Bildrand sind Gewehrläufe anderer Soldaten zu erkennen.
Laut Archivquellen wurde das Foto von der Ostfront nach Deutschland gesendet, jedoch in einem Postamt in Warschau vom polnischen Widerstand abgefangen. Mitglieder der Widerstandsbewegung sammelten systematisch Belege über mutmaßliche Kriegsverbrechen in Osteuropa. Der Originalabzug befand sich im Besitz von Tadeusz Mazur und Jerzy Tomaszewski und wird heute im Historischen Archiv in Warschau aufbewahrt. Die deutsche Beschriftung auf der Rückseite lautete: „Ukraine 1942, Jüdische Aktion, Ivanograd“.
Dieses Bild wurde in zahlreichen Ausstellungen und historischen Publikationen gezeigt und gilt laut dem britischen Journalisten Robert Fisk als eines der eindrucksvollsten visuellen Zeugnisse der Verbrechen während des Holocaust.
Im Jahr 1964 veröffentlichte das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel das Foto in Ausgabe Nr. 49 zusammen mit einem Beitrag über kontroverse Leserreaktionen. Einige behaupteten, das Bild sei möglicherweise eine Fälschung. Dennoch stützten sich viele Historiker auf zeitgenössische Dokumente aus offiziellen deutschen Archiven, die den historischen Kontext bestätigen.
Die Historikerin und Journalistin Janina Struk schrieb in ihrem Buch Private Bilder: Ein Blick von Soldaten in den Krieg, dass die Konfrontation einer Gesellschaft mit visuellen Belegen eigener Kriegsvergangenheit eine lange Tradition hat. Der Besitz solcher privater Aufnahmen konnte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – dennoch existieren viele derartige Fotografien.
Zwischen 1941 und 1945 verloren Millionen von Menschen in der Ukraine infolge von Besatzung, Gewalt und systematischer Diskriminierung ihr Leben. Schätzungen zufolge wurden in diesem Zeitraum etwa drei Millionen Zivilisten getötet, darunter bis zu 900.000 Menschen jüdischer Herkunft.
Historische Analysen zeigen, dass nationalsozialistische Pläne eine drastische Reduktion der ukrainischen Bevölkerung vorsahen. Teile der verbliebenen Zivilbevölkerung sollten zur Zwangsarbeit herangezogen oder zur Umsiedlung gezwungen werden. Diese Ereignisse werden heute als Mahnung verstanden, welche Folgen systematische Entrechtung und Ideologien der Ausgrenzung haben können.