In einem beispiellosen politischen Showdown haben Ungarns Premier Viktor Orbán und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine dramatische Kehrtwende vollzogen: Sie blockieren ein neues milliardenschweres EU-Hilfspaket für die Ukraine – eine Aktion, die Präsident Wolodymyr Selenskyj schockiert zurücklässt und die Einheit Europas auf eine harte Probe stellt.

Hintergrund: Die eskalierende Haushaltskrise in Brüssel
Die Spannungen beginnen mit Orbáns andauerndem Streit mit der EU über ausstehende, eingefrorene Mittel. Durch den sogenannten „Rule-of-Law“-Mechanismus hat Brüssel Teile der EU-Gelder für Ungarn gesperrt – Summen, die Ungarns Regierung nun verzweifelt zurückfordert. (OSW Ośrodek Studiów Wschodnich)
Gleichzeitig steht ein 50‑Milliarden-Euro-Hilfspaket bereit, das dazu gedacht ist, die Ukraine zwischen 2024 und 2027 zu unterstützen. (EL PAÍS English) Doch dieses Paket benötigt einstimmige Zustimmung im EU-Rat – und genau dort setzen Orbán und Meloni an.
Die Allianz von Budapest und Rom
Orbán blockierte bereits 2023 das Hilfspaket, indem er sein Veto einlegte. (The Guardian) Er forderte Bedingungen: Eine jährliche Neubewertung der Ukraine-Hilfen müsse gewährleistet sein, außerdem wolle er Garantien, dass ungarische Mittel nicht einfach in ukrainische Töpfe abfließen. (Європейська правда)
Parallel zu diesem Konflikt hat Meloni im Hintergrund agiert – nicht als solidarische Unterstützerin, sondern als taktische Akteurin. Berichten zufolge versuchte sie über Hintertürgespräche Orbán zu überzeugen, das Paket doch noch freizugeben – mit politischen Zugeständnissen: Orbáns Partei Fidesz könnte der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) beitreten, was seine politische Macht in Brüssel stärken würde. (telex)
Ihre Rolle ist ambivalent: Einerseits betonte sie öffentlich, dass Italien „alles tut, was es kann“, um die Ukraine zu unterstützen. (ANSA.it) Andererseits brachte Spiegel-Berichte ans Licht, dass Italien unter Meloni und Frankreichs Emmanuel Macron ein 20‑Milliarden‑Militäraufbaupaket zögert zu unterstützen, was Zweifel an der konsequenten Solidarität weckt. (Euromaidan Press)
Der dramatische Moment: „Es gibt kein Geld mehr!“
Als der entscheidende EU-Gipfel naht, verschärft sich die Lage drastisch: Orbán nutzt sein Veto als politisches Druckmittel. Er verlangt, dass die EU nicht nur die Hilfen an die Ukraine neu beurteilt, sondern auch seine eingefrorenen Kohäsionsgelder freigibt – ein doppeltes Spiel, das viele Beobachter als Erpressung bezeichnen. (The Guardian)
Meloni hingegen warnt vor „regelwidrigen“ EU-Maßnahmen, zum Beispiel der Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte zur Finanzierung der Ukraine – sie drängt darauf, dass solche Schritte „rechtskonform sein müssen“. (Reuters) Diese Forderung verstärkt die Blockadehaltung und stellt Brüssel vor eine Zerreißprobe: Einerseits besteht ein dringendes Bedürfnis, Kiew weiter zu stützen – andererseits wächst der Widerstand innerhalb der EU selbst.
Selenskyj unter Druck – und Europas Einheit in Gefahr
Für Selenskyj ist das Veto ein harter Schlag. Nachdem bereits versucht wurde, die EU-Mitgliedschaft der Ukraine voranzutreiben, droht nun die finanzielle Ader abgeschnürt zu werden. (Al Jazeera) Seine Regierung steht vor der Frage: Wie soll der Krieg weitergeführt und der Wiederaufbau finanziert werden, wenn die wichtigsten europäischen Verbündeten ihre Zähne zeigen?
Gleichzeitig wächst in Brüssel die Angst, dass das Veto nicht nur die Ukraine destabilisiert, sondern die gesamte europäische Front schwächt. Einige Diplomaten sprechen bereits von „Koalitionen der Willigen“, einem Modell, das Länder ohne Orbáns Veto zusammenbringt – doch es fehlt die einstige Geschlossenheit. (The Guardian)
Die psychologische und symbolische Dimension
Die Ablehnung ist nicht nur finanziell: Orbán inszeniert sich damit als kämpferischer Anführer, der „unser Geld nicht einfach so wegwirft“. Für ihn ist das Veto ein Symbol nationaler Souveränität. Meloni wiederum nutzt die Situation, um ihre Rolle als EU-Strategin zu stärken – sie will nicht nur „Nein“ sagen, sondern mit ihrem Veto ein neues Machtgleichgewicht schaffen.
Für viele in Europa liegt ein doppelter Spaltpilz im Spiel: Ist das Verhalten von Orbán und Meloni ein Ausdruck legitimer Kritik am bisherigen EU-Kurs – oder ein strategischer Machtgriff, der zu egoistischen Brüchen führen kann?
Mögliche Szenarien und Konsequenzen
- Zwang zu Kompromissen: Brüssel könnte Orbán und Meloni Zugeständnisse machen, z. B. weitere Garantien zur Mittelverwendung oder einen Mechanismus zur jährlichen Überprüfung.
- Koalition der Willigen: Einige EU-Staaten könnten Hilfen über alternative Strukturen organisieren, ohne Orbáns Veto einzubeziehen. (The Guardian)
- Langfristige Instabilität: Wenn die Blockade fortbesteht, könnte die EU-Integration der Ukraine verzögert oder gar gefährdet werden. Selenskyj steht dann politisch unter enormem Druck.
- Interne EU-Kluft: Die Spaltung zwischen West, Ost, Nord und Süd könnte sich vertiefen – und das Vertrauen in die Einheit der Union nachhaltig erschüttert werden.
Fazit: Ein Machtspiel mit globaler Tragweite
Was auf den ersten Blick wie eine einfache Haushaltsdebatte aussieht, entpuppt sich als ein perfides Machtspiel. Orbán nutzt das Veto als Waffe, Meloni als strategischen Verhandlungspartner – und Selenskyj steht im Kreuzfeuer zwischen moralischer Solidarität und realpolitischem Kalkül.
„Es gibt kein Geld mehr!“ ist nicht nur eine politische Drohung, sondern eine Provokation – eine explosive Botschaft, die nicht nur Kiew, sondern ganz Europa herausfordert. Denn wenn zwei EU-Schwergewichte den Geldhahn zudrehen, steht nicht nur das Schicksal der Ukraine auf dem Spiel, sondern das Vertrauen in die Zukunft der europäischen Zusammenarbeit.




